Das Leben im Kriegsgefangenenlager

Der Alltag im Lager wurde durch die Insassen, die offensichtlich relativ viel Handlungsfreiheit hatten, organisiert. Das Lager war in vier Compounds eingeteilt, mit den Bezeichnungen A, B, C und D. Jede Hütte wurde durch einen Hüttenkapitän geführt und jeder Hüttenkapitän war dem Leiter seines Compounds unterstellt. Diese Leiter waren wiederum dem Oberkapitän des Lagers unterstellt. Diese Rolle wurde durch Obermaschinist W. Schulz ausgeführt bis er im Januar 1918 an einem Gefangenenaustausch teilgenommen hat. Man bekommt den Eindruck, dass der britische Lagerkommandant, Lt. Col. H. J. Bowman mitgeholfen hat, eine Umgebung zu schaffen, in der der Hintergrund der Gefangenen respektiert wurde1. Die Straßen im Militärlager wurden nach deutschen Heerführern benannt 2 und der Kaisergeburtstag wurde gefeiert3. Obwohl politische Themen in der Stobsiade nicht erlaubt waren, merkt man, dass die Gefangenen großes Interesse an den englischsprachigen Zeitungen, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden, gezeigt haben. Es ist verständlich, dass die Bewohner des Lagers ihre Staatsloyalität während des Krieges beibehalten haben und dass sie versucht haben, die britischen Zeitungen gegen den Strich zu lesen. Obwohl viele der Militärgefangenen an irgendwelchen Traumata im Kampf gelitten haben, werden solche Themen in der Stobsiade kaum behandelt, mit Ausnahme von einem Gedicht über Alpträume4 und einem anderen über das Erlebnis, in Gefangenschaft zu geraten5. Andererseits gibt es ziemlich viele Gedichte, die schildern, wie Zivilisten verhaftet wurden, oder infolge des Krieges Statuseinbußen erlebt haben6, 7, 8, 9, 10. Wie es zu erwarten ist, hatten einige der Zivilisten schon eine lange Zeit in England verbracht, manche waren mit Engländerinnen verheiratet, und manche hatten verständlicherweise Schwierigkeiten, sich mit Deutschland in dem aktuellen Konflikt zu identifizieren. Das hat dazu geführt, dass solche Leute in Konflikt mit den Militärangehörigen geraten sind. In einem Gedicht über die Trennung von Militär- und Zivilgefangenen wird darauf hingewiesen11.

. Ein Artikel 12erörtert einige der Unterschiede zwischen einem Zivilgefängnis und einem Kriegsgefangenen. Die Gefangenen in Stobs hatten zwar Strafen von unbestimmter Dauer, aber sie hatten auch die Möglichkeit, kollektiv ihre eigene Umgebung zu verwalten und Mittel und Wege zu finden, sich selbst zu beschäftigen. Sie waren keine Kriminellen, viele der Soldaten waren sogar Wehrpflichtige. Im Falle der Zivilisten hatten sie oft Familien, die ihren Ernährer verloren hatten, was diesen Gefangenen große Qualen bereitete. Es ist verständlich, dass einige Menschen der Trägheit und Depression erlagen, aber andere unternahmen beträchtliche Anstrengungen, um ihren Kameraden sinnvolle Arbeit zu bieten und einen Sinn für gemeinsame Ziele hervorzurufen. Dies bestand entweder im Lehren oder Lernen13, im kreativen Arbeiten, möglicherweise zu kommerziellen Zwecken 14, in der Bereitstellung irgendeiner Form von musikalischer 15 oder theatralischer Unterhaltung 16 oder in der Förderung und Teilnahme an sportlichen Aktivitäten 17. Es ist interessant, dass 1915 das Schlittenfahren gefragt wurde18. Da das Lager an einem Berghang gebaut worden war, war es für diese Art von Aktivität durchaus geeignet.

Manchmal war die Umgebung eine Belastung für die Gefangenen. Selbst durch Stacheldraht eingezäunt zu sein war ein wesentliches Problem und jegliche vorübergehende Erleichterung wurde begrüßt19. Das Wetter war oft belastend, aber die Leute haben versucht, die Situation mit Humor zu bewältigen20, 21. Ganz zu Beginn wurde der lehmige Boden als Belastung betrachtet22 und er wurde zum Dauerthema23, 24. Mit anderen Leuten in nächster Nähe zu leben war auch manchmal schwierig. Gelegentlich flammten Probleme auf, um dann fast so schnell wieder abzuflauen25. Die Hütten wurden durch kohlebeheizte Öfen geheizt, auf denen man auch kochen konnte, aber die dadurch entstehenden Gerüche haben manchmal andere gestört 26. Ab und zu wurde es notwendig, Massenwanderungen im Lager durchzuführen. Solche Umzüge haben bei manchen Gefangenen zu Unsicherheit geführt, aber es hat auch Menschen gegeben, die es vermieden haben, unruhig zu werden27. Innerhalb ihrer Hütten haben die Leute selbstverständlich um den Ofen gesessen und sie haben selbstverständlich miteinander über die Zeiten, die sie durchlebten, diskutiert. Die Leute, die in diesen Diskussionen hochtrabend geredet haben, wurden gemeinsam als Ofenkommission bekannt28, 29. Es wäre ein Fehler zu behaupten, dass das Leben in den Hütten ganz negativ war 30 und selbst in der Endphase hat die Zeitung berichtet, dass die Leute eine positive Einstellung zu der Solidarität hatten, die sie durch die schwierigen Zeiten genossen hatten 31.

Die Gefangenen haben Sehnsucht nach den Speisen der Heimat gehabt, obwohl ihre Ernährung anscheinend ausreichend war32 33. Alkohol war streng verboten aber sehr vermisst34 35. In der Anfangsphase gab es eine Bäckerei, wo auch Heringe verkauft wurden, aber das Geschäft hat dreimal Pleite gemacht36. Unter den Umständen es ist natürlich, dass die Gefangenen eine Sehnsucht hatten, nach Hause zu fahren. Diese Sehnsucht kam oft in den Spalten der Stobsiade zum Ausdruck. Ein Artikel, in dem ein Gefangener seine Heimatregion beschreibt, gehört zu den Besten 37. Es gibt auch einen interessanten humorvollen Artikel, in dem ein Gefangener von seiner Rückkehr träumt und darin Schwierigkeiten mit seiner veränderten Lage erlebt 38.

Es war eine Belastung, dass es an Sonntagen keine Zeitungen gab und der Bewegungsmangel war auch ein Problem39, 40, 41, aber man hatte auch Unterhaltungsmöglichkeiten 42. Im Sommer gab es Sport und Wettbewerbe43 44. Es wird in der Stobsiade von einem Sonntags-Militärkonzert erzählt, wo ein interessantes Missverständnis entstanden ist. Es hat Zuschauer auf dem Hügel außerhalb des Lagers gegeben – schottische Soldaten, ihre Freundinnen und Familien. Ein schottischer Soldat hat die Mütze abgenommen, weil er glaubte, dass die Deutschen die britische Nationalhymne spielen würden. Es war ihm nicht bekannt, dass die gleiche Melodie auch für „Heil dir im Siegerkranz“ verwendet wurde. Laut dem Autor in der Zeitung war der Text „grundverschieden“45. Sonntage haben selbstverständlich auch eine Gelegenheit für Gottesdienste gegeben46. An einem bestimmten Sonntag Mitte-Dezember hat es ein außergewöhnliches Ereignis gegeben: Man konnte Nordlichter sehen47. In der zweitletzten Ausgabe der Stobsiade gibt es einen Artikel darüber, wie belastend Sonntage in Stobs sein konnten 48.

In der Stobsiade werden die Leute, die das Kommando über das Lager hatten nur selten erwähnt. Ein Bericht über den Abschied von dem Zensor Lt. Conway-Poole bietet eine Ausnahme „da er seines Amtes in stets humaner Weise waltete.“49 Es wurde auch berichtet, dass einer der Gefangenen ein „großes Ölgemälde des Lagerkommandanten Herrn Major Bowman“ geschaffen hatte 50. Es wurde viel über Treffen mit Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde (Quäker) berichtet – Herrn Richardson, Herrn Baily und insbesondere Herrn R.W. Clark 51. Dr. R.W. Markel, ein pensionierter Chemiker und Industrieller deutscher Abstammung 52 hat viel finanzielle Unterstützung organisiert, aber es scheint, dass er nicht so viel Kontakt mit den Gefangenen hatte wie Herr Clark. Obwohl andere Quellen darauf hinweisen, dass Gefangene in Stobs Arbeit außerhalb des Lagers gefunden haben, wird es selten in der Zeitung erwähnt – in Kontrast zu den ausführlichen Berichten aus den Arbeitslagern. Einmal durften die Gefangenen das Lager für eine kurze Zeit verlassen. Es wird als Spaziergang geschildert, aber es hat auch einige Eigenschaften von einem Übungsmarsch gehabt – wenigstens für die Gefangenen, die so lange hinter Gitter waren53.

Fußnoten